„Ordnung im Chaos“ – unser Verlangen nach Struktur beeinflusst unsere Entscheidungen
Teil 3 – Wie Sie Wahrnehmungsfehler und Kontrollverlust vermeiden können
An den letzten beiden Donnerstagen berichteten wir über die Aufsehen erregenden Forschungsergebnisse von Jennifer Whitson und Adam Galinsky (Universität in Austin, Texas). Sie wiesen experimentell nach, dass Verlust von Kontrolle über private und berufliche Aufgaben unser Gehirn automatisch nach Mustern und Strukturen suchen lässt, die diese Kontrolle wiederherstellen.
So ‚erkennen‘ Menschen, die experimentell Kontrollverlust erlitten hatten, in eigentlich zufälligen Börsenschwankungen ‚bedeutsame‘ Muster und Trends (siehe Beitrag vom 18. Juni). Whitson und Galinsky wiesen auch nach, dass Aberglaube und Verschwörungstheorien auf dem Nährboden von Kontrollverlust gedeihen (siehe Beitrag vom 25. Juni). Kontrollverlust führt also zu Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern, die durchaus ernsthafte Nebenwirkungen haben können.
Wie vermeidet man also die Entstehung derartiger Wahrnehmungsfehler?
Man packt das Übel bei der Wurzel! Der Schlüssel dazu ist tatsächlich die Wiederherstellung des Kontrollgefühls. Wir müssen uns – real oder sogar künstlich – dieses Kontrollgefühl wieder vergegenwärtigen, uns bewusst werden, dass wir fähige Menschen sind, die in der Regel Entscheidungen treffen können – und zwar gute! – und uns gemäß unserer eigenen Bedürfnisse und Werte verhalten.
Whitson bat ihre (unter zuvor künstlich induziertem Kontrollverlust leidenden) Versuchspersonen zu diesem Zweck an Ereignisse zu denken, die sie völlig unter Kontrolle hatten, bei denen sie eine optimale Leistung erbracht und einfach ein gutes Gefühl hatten. Zusätzlich sollten sich ihre Versuchspersonen auf ihre Werte, ihre Grundüberzeugungen und wichtige Dinge in ihrem Leben besinnen.
Sie ließ sich diese Geschichten erzählen und gab ihnen dann ebenfalls die Börsen-, Aberglauben- und Verschwörungsaufgaben. Und siehe da: Sie verhielten sich genauso wie die Menschen, die zuvor nicht unter Kontrollverlust litten. Unsere Erinnerung – an vergangene Leistungen und an die Werte, die uns leiten – wirkt also protektiv.
Die Experimente von Whitson und Galinsky offenbaren eine gute Strategie für Krisenzeiten: Wenn wir uns vergegenwärtigen, was wir können und was wir geschafft haben
- entscheiden wir besser
- sind wir weniger abergläubisch
- haben wir weniger negative Einstellungen gegenüber anderen (Verschwörungstheorien) und
- verbesserte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
So können wir also wieder Ordnung im Chaos unseres Lebens herstellen. Nicht nur eine vorübergehende, fiktive Ordnung, sondern womöglich eine nachhaltige, reale.
gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: Whitson, J. & Galinsky, A (2008). Lacking control increases illusory pattern perception. Science, 322, pp.115-117
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