Blondes Gift oder Engel ?

Blondinen gelten einerseits als naiv und einfältig, andererseits als Wesen mit sonnigem Gemüt, die mehr Spaß als alle anderen haben. In Filmen oder Literatur verkörpern sie häufig das raffinierte Biest, das Männer mit einem verführerischen Augenaufschlag um den Finger wickelt: Um keine andere Haarfarbe ranken sich so viele Mythen. Was ist eigentlich dran an den Vorurteilen, mit denen hellhaarige Frauen immer wieder konfrontiert werden und sie oft ungerechterweise zur Zielscheibe unzähliger Witze machen?

Häufig steckt sicher eine gute Portion Neid dahinter. Eine Blondine zieht fast überall die Aufmerksamkeit anderer auf sich. Die goldene Haarpracht ist nun mal auffälliger als ein dunkler Schopf. Nicht umsonst heißt ein Film mit Marilyn Monroe „Blondinen bevorzugt“. Denn laut Psychologe Stephan Lermer haben Blondinen es bei der Partnersuche tatsächlich etwas leichter als ihre dunkel- und rothaarigen Geschlechtsgenossinnen. „60 Prozent der deutschen Männer wünschen sich eine blonde Frau.“ Dass nur acht Prozent der deutschen Frauen von Geburt an blond sind, wie Lermer weiß, macht echte Blondinen zu einer attraktiven Rarität. „Das ist etwas Seltenes und wertvoll – wie Diamanten und Gold. Wenn die Blondine feststellt, dass sie so hoch gehandelt wird, kann es sein, dass sie ihre Attraktivität möglicherweise nutzt, um Männer zu verführen.“

Helles Haar macht jünger

Gleichzeitig wirke Blond jugendlich, sagt der Psychologe in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Denn graue Strähnen fallen bei Blonden weniger auf als bei Brünetten. Wer gern aus der Menge herausstechen will, aber nicht von Natur aus mit einem hellen Schopf gesegnet ist, lässt sich daher gern von einem Friseur in eine Blondine verwandeln. Männer könnten oftmals den Unterschied zwischen echt und unecht nicht unterscheiden, es sei denn, es handele sich um ein Platinblond, betont Lermer. Vor allzu starker Aufhellung warnt er jedoch. Die auffällige, wasserstoffblonde Frau wirke, wenn sie dementsprechend noch auffällig geschminkt sei, oft billig. „Sie bedient jede Menge Männerfantasien und sie wirkt, als sei sie leicht zu haben.“ Dadurch zögen Blondinen häufig den Neid von dunkelhaarigen Frauen auf sich, die umschwärmte Hellhaarige gern als „Blondes Gift“ bezeichnen. Seine Geschlechtsgenossen nimmt Lermer augenzwinkernd in Schutz. „Die Männer kapieren gar nicht, was da läuft. Sie sind Opfer und reagieren nur darauf.“

Rein wie eine Märchenfigur

Dass blonde Damen trotzdem mit Attributen wie Sanftmut, Reinheit und Unschuld assoziiert werden, liegt unter anderem daran, dass die meisten Märchenfiguren helle Haare haben. „Auch Feen, Engel, Loreley, das Gretchen aus Faust und Barbie sind alle blond“, berichtet der Münchner Therapeut. Blonde gelten dadurch als harmlos. Außerdem kann man bei ihnen Gefühlsregungen leichter erkennen. „Ein Mensch, der positive Emotionen ausstrahlt, hat geweitete Pupillen“, sagt Lermer. Da die meisten echten Blondinen eine helle Iris haben, wirke sie im Gegensatz zu Dunkeläugigen unbewusst kalkulierbarer.

Natürlich lässt sich die Intelligenz eines Menschen nicht an der Haarfarbe festmachen. Warum Blondinen im Allgemeinen aber häufig trotzdem als Dummchen dargestellt werden, liege gemäß Lermer auch daran, dass sie Opfer einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Sagen die Eltern ihrem Kind häufig: „Du bist unser blondes Hübschchen, du sieht aus wie Barbie“, könnte es sein, dass das Kind sich diese Eigenschaften tatsächlich aneignet und sich weniger anstrengt. Das Kind sagt sich: „Ich bin blond und schön, das ist halt so“, erzählt Lermer. „Blonde Mädchen haben weniger Druck und Motivation, einen höheren Bildungsstand zu erreichen.“ Dazu passt ein Klischee, das häufig bei TV-Serien bedient wird. „Die Dunkelhaarige ist die Ärztin und die Blonde Krankenschwester.“

Unterhaltungsformate im Fernsehen, die vor allem It-Girls mit blonder Mähne in den Fokus rücken, sorgen ebenfalls dafür, dass sich das Bild der einfältigen Blondine hartnäckig hält. Die inzwischen erblondete Brünette Verona Pooth habe etwa den Weg für Blondinen geebnet, die mit dem Klischee spielen, sagt Lermer. Davon profitieren beispielsweise die amtierende Dschungelkönigin Melanie Müller oder ehemalige „Germany’s next Topmodel“-Kandidatinnen wie Sarah Knappik und Gina-Lisa Lohfink.

Ambivalente Berufschancen

Wie die beruflichen Chancen bei hellem Kopfschmuck generell aussehen, sei ambivalent. „Wenn ein Personaler Vorurteile hat, traut er einer Blondine weniger zu“, sagt Lermer. Es könne aber auch sein, dass man die Blondine eher einstellt, um sich mit ihr zu schmücken, betont der Psychologe. Wolle eine blonde Frau Karriere machen will, müsse sie sich häufig mehr anstrengen. „Weil man ihr erst nicht zutraut, dass sie das stemmen kann.“ Sich die Haare dunkel zu färben, um einen Job zu bekommen, sei dagegen Quatsch. „Gerade Authentizität ist eine Kraftquelle. Wenn man authentisch ist, ist man überzeugungsstärker.“

In der Medienwelt sei es oft so, dass sehr viele Moderatorinnen blond seien, so der Therapeut und zählt auf: „Sabine Christiansen, Frauke Ludowig, Barbara Schöneberger oder Linda de Mol. „Das ändert sich aber gerade, indem die Dunkelhaarigen nachziehen.“

Was bei Frauen auf der Tagesordnung steht, gilt aber noch lange nicht für die Herren der Schöpfung. Hellhaarige Männer dagegen bleiben laut Lermer von den Vorurteilen zwar vorschont. Gleichzeitig sind sie aber nicht so begehrt wie ihre weiblichen Gegenstücke. „Die meisten Frauen träumen von einem Dunkelhaarigen, Typ promovierter Holzfäller“, sagt der Psychologe. „Der was im Kopf und Muckis hat, und es im Bett bringt.“

12. April 2014

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