Arbeitsweg und Wohlbefinden: Wer täglich pendelt, ist unzufriedener
Je länger der tägliche Arbeitsweg, desto niedriger die Lebenszufriedenheit. Diesen einfachen, aber doch erstaunlichen Zusammenhang deckten kanadische Forscher kürzlich auf. Sie untersuchten die Gründe dieses Phänomens und bieten Lösungen an.
Wer in den letzten Wochen und Monaten – gestresst durch die immer wiederkehrenden Streiks im öffentlichen Nahverkehr – versucht war, zukünftig dauerhaft auf das eigene Auto als Transportmittel zur Arbeit umzusteigen, dem raten Margo Hilbrecht, Bryan Smale und Steven E. Mock (Forscher an der Universität Waterloo, Kanada) davon ab. Denn sie entdeckten einen direkten Zusammenhang zwischen der Länge des Arbeitswegs und der allgemeinen Lebenszufriedenheit: Je länger man für den Weg zwischen Arbeit und Zuhause benötige, desto unzufriedener werde man im Allgemeinen.
Wie sich der tägliche Arbeitsweg auf das Wohlbefinden auswirkt
Die Forscher werteten eine Umfrage der kanadischen Regierung unter mehr als 3.000 Menschen aus, die täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren. Sie untersuchten deren Zeitverwendungsmuster plus ihr Wohlbefinden. Um einen möglichen Zusammenhang zu untersuchen legten sie das sog. „Resource Drain Model“ zugrunde. Dieses ursprünglich aus der Beruf-Familien-Forschung stammende Konfliktmodell postuliert, dass Veränderungen in einem Tätigkeitsbereich andere negativ beeinflusst. „Resource Drain“, also der Abfluss von eigenen Möglichkeiten entsteht dann, wenn – beabsichtigt oder nicht – Ressourcen wie Zeit, Energie oder Aufmerksamkeit für einen Tätigkeitsbereich so stark verwendet werden, dass für andere keine oder zu wenige bleiben. Leistet man also ständig Überstunden, wird man kaum mehr Zeit mit Familie oder Freunden verbringen können. Abhängig von persönlichen Präferenzen, biologischen Bedürfnissen, sozialen Rollen und damit verbundenen Verpflichtungen beeinflusst also die Verwendung der eigenen Ressourcen die Lebenszufriedenheit.
Die Forscher wählten für ihre Analyse solche Aktivitäten aus, die mit Wohlbefinden assoziiert sind und werteten die Antworten der Studienteilnehmer auf Fragen nach deren alltäglichen Zeitdruck aus; und wie zufrieden sie allgemein mit ihrem Leben waren. Werte für das allgemeine Wohlbefinden wurden aus diesen Themenbereichen ermittelt.
Das Ergebnis dieser Auswertung ist bemerkenswert: Pendler mit längeren Anfahrtswegen bewerteten ihre Lebenszufriedenheit signifikant geringer und gaben an, unter höherem Zeitdruck zu stehen.
Das „Resource Drain Model“ erklärt diesen Zusammenhang so: Wer lange Anfahrtswege in Kauf nehmen muss, hat weniger Freizeit, was sich unmittelbar auf das eigene Wohlbefinden auswirkt.
Stress, Zeitdruck, Routine und die Folgen
Die Zeit, die täglich im Auto verbracht wird, wird von den meisten als sehr stressig empfunden. Stau und stockender Verkehr erhöhen den Zeitdruck und führen zu Frustration. Das hat langfristig sogar negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit: Wie eine schwedische Studie ergeben hat, leiden Pendler häufiger unter Bluthochdruck, Übergewicht, geringerer kardiovaskulärer Fitness, Stress, Abgeschlagenheit und haben tatsächlich höhere Fehlzeiten.
Außerdem bedeutet mehr Zeit im Auto zwangsläufig weniger Zeit für andere Tätigkeiten. Wichtige Aktivitäten, die das Wohlbefinden steigern könnten, wie Zeit mit der Familie und Freunden verbringen oder Sport treiben, bleiben somit auf der Strecke.
Lösungen für Pendler
Fahrradfahrer und Fußgänger kommen meist entspannter an ihrem Arbeitsplatz an als Autofahrer. Das hat eine weitere Studie in diesem Zusammenhang ergeben. Sicher ist dies nicht für alle Pendler möglich. Daher empfehlen die kanadischen Forscher Arbeitnehmern, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und vor allem, physische Aktivitäten in die tägliche Routine einzuplanen, da diese Stress lindern können. Arbeitgebern empfehlen sie, flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen und Gelegenheiten zu bieten, körperliche Ausgleichs-Aktivität schon während der Arbeit auszuüben.
Wer täglich auf das eigene Auto angewiesen ist und lange Anfahrtswege hat, strapaziert seine physische und psychische Gesundheit. Wer jedoch einen Arbeitsplatz in der Nähe seines Zuhauses hat und sich regelmäßig körperlich betätigt, steigert seine Lebenszufriedenheit und letztlich sein persönliches Glück.
Quellen:
Hansson, E., Mattisson, K., Björk, J., Östergren, P.-O., & Jakobsson, K. (2011). Relationship between commuting and health outcomes in a cross-sectional population survey in southern Sweden. BMC Public Health, 11, 834. doi:10.1186/1471-2458-11-834
Hilbrecht, M., Smale, B., & Mock, S. E. (2014). Highway to health? Commute time and well-being among Canadian adults. World Leisure Journal, 56(2), 151-163.
Turcotte, M. (2011). Commuting to work: Results of the 2010 General Social Survey. Canadian Social Trends, 92.
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