Psychologische Begriffe: Der ‚Sleeper-Effekt‘.

Der von den Kommunikationsforschern Hovland, Lumsdaine und Sheffield (1949) eingeführte Begriff ‚Schläfer-Effekt‘ hat nichts mit Terrorismus oder Verbrechen zu tun.

Er bezeichnet eine erstaunlich wirksame Erinnerungsverzerrung, bei der sich die wichtigsten Inhalte einer Botschaft mit der Zeit immer mehr durchsetzen und unsere Einstellungen und Ansichten beeinflussen, während unwichtige Dinge oder die Quelle, aus der die Botschaft stammt, mit der Zeit von selbst vernachlässigt werden.

Ganz konkret: Stellen Sie sich vor, sie nehmen an einem tatsächlich durchgeführten Experiment von Gruder und Kollegen teil, die die Hovland’sche Theorie überprüfen wollen. Sie bekommen einen Text vorgelegt, dessen Inhalt gegen die 4-Tage-Woche spricht. Am Ende des Textes erhalten Sie jedoch einen kurzen Hinweis, dass die Quelle, aus der der Text stammt, unglaubwürdig ist und zusaätzlich ein Statement für die 4-Tage-Woche. Werden Sie gleich nach dem Experiment gefragt, was Sie von der 4-Tage-Woche nun halten, wird ihre Meinung neutral oder geteilt sein. Eigentlich hatten Sie gute Argumente gegen die 4-Tage-Woche gelesen, die Sie vermutlich durchaus teilen. Andererseits ist scheinbar die Quelle, aus der die Informationen stammen, unglaubwürdig.

Bittet man Sie allerdings nach ein paar Wochen noch einmal ins Labor und befragt Sie zur 4-Tage-Woche, so passiert Erstaunliches: Ihre Einstellung zur 4-Tage-Woche wird sich über die Zeit verändert haben. Sie sind nun mit großer Wahrscheinlichkeit gegen die 4-Tage-Woche eingestellt, wenn Sie nicht schon meinungsmäßig vorbelastet waren. Warum?

Die Erklärung: Die aufgenommenen Argumente gegen die 4-Tage-Woche ’schlafen‘ in Ihrem Gedächtnis, sobald Sie gut genug eingelesen worden sind. Während diese wohlgelernten und -durchdachten Informationen also gut gespeichert sind, ist mit großer Wahrscheinlichkeit die kurze Information für die 4-Tage-Woche vergessen. Ebenso nicht mehr präsent ist die ‚unglaubwürdige‘ Quelle, von der die Information stammt.

Was Ihnen somit nach der langen Zeit, in der Sie viele andere wichtige Informationen verarbeiten mussten, nur noch einfällt, ist: Der ‚Fakt‘, dass die 4-Tage-Woche schlecht ist und die 2-3 besten Argumente dafür.

Heute erklären Forscher das Phänomen der schlafenden Informationen mit der ‚Abkopplungshypothese‘: Speichert man Infomation A zusammen mit Gegeninformation B und Quelle X, werden mit der Zeit zunächst A und B von X im Gedächtnis getrennt. Zusätzlich bewirkt B, dass wir alle Argumente von A nochmals bewusst oder unbewusst durchdenken und damit A noch stärker gewichten. Mit der Zeit verdrängt A dann die schwächere Information B völlig aus dem bewusstseinszugänglichen Gedächtnis.

Sparen Sie also nicht mit ‚Bedenken‘, wenn Sie jemanden langfristig von einer Sache überzeugen wollen. Der kleine Hinweis am Ende Ihrer Argumentation: ‚Es könnte aber auch sein, dass Sache X sich ganz anders verhält…‘ bewirkt bei ihrem Kommunikationspartner, dass er Ihre ursprünglichen Argumente langfristig noch besser verinnerlicht.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

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