Planlos, aber lernfähig: Was Kinder denken
13:07 Uhr. „Papa, ich will im Garten spielen!“ – „Ok, aber nimm deine Jacke mit, es ist kalt draußen.“
13:12 Uhr. „Puh, brrr, ist so kalt draußen.“ – „Na dann… hey, du hast deine Jacke nicht an!“ – „Ich zieh` sie jetzt an…“ – „Typisch, was ich dir sage geht zum einen Ohr rein und zum anderen raus, und dann wirst du wieder krank und…“
Kommt Ihnen das bekannt vor? Wissenschaftler und viele Eltern gingen lange Zeit davon aus, dass Kinder prinzipiell wie Erwachsene denken. Allerdings fehle ihnen die Einsicht in die Folgen ihrer Handlungen. Diese Kompetenz müssten sie im Verlauf ihrer individuellen Entwicklung erst noch lernen.
Forscher der University of Boulder haben nun ein Experiment durchgeführt, mit dem sie zeigen konnten, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter die Kompetenz, eigene Handlungen und Anweisungen anderer auf die Zukunft zu beziehen, noch gar nicht besitzen. Bei der Handlungsplanung sind Kinder eben nicht wie kleine Erwachsene, sondern denken qualitativ anders. Es scheint, als ob sie Anweisungen einfach speichern würden, um später darauf zurückzugreifen. Wie im Jackenbeispiel oben: Erst wenn es kalt wird, spürt das Kind die Notwendigkeit, sich durch die Jacke vor der Kälte zu schützen.
Kinder lernen also Zusammenhänge, indem sie sich an der Gegenwart oder an der Vergangenheit orientieren. Christopher Chatham von der University of Boulder behauptet: 3-jährige Kinder leben weder ausschließlich in der Gegenwart, noch können sie wie Erwachsene in die Zukunft planen. Vielmehr gilt: „They´re calling back the past only when they need it“.
In ihrer Studie zeigten sie 3- und 8-jährigen Kindern eine Computeranimation mit den berühmten Comicfiguren Spongebob Schwammkopf und dem Hund Blue aus Blue´s Clue´s. Die Kinder lernten, dass Blue Wassermelonen mag. Anschließend wurden sie gebeten, mit einem Zeigestab auf einen strahlenden Smiley zu zeigen, falls sie Blue und anschließend die Wassermelone sehen. Ansonsten sollten sie auf einen traurigen Smiley zeigen. Zur Messung des mentalen Aufwands den die Kinder aufbringen mussten, wurde die Technik der Pupillometrie verwendet, bei der mittels Videoanalyse die Pupillengröße über die Zeit bestimmt wird. Das Versuchsdesign und interessante Gedanken zum Thema können Sie in einem Video der University of Boulder ansehen (Bitte klicken Sie einfach auf das Bild):
8- Jährige konnten dabei Antworten antizipieren und waren sich generell sicherer bei ihren Antworten. Die 3-jährigen sahen sich zunächst alle Bilder an und entschieden sozusagen bei jeder Wassermelone die sie sahen, ob sie vorher Blue gesehen hatten oder nicht.
Die Leiterin der Studie, Frau Prof. Munakata, zieht folgende Schlüsse aus ihrem Experiment: „Wenn Sie einfach nur Dinge wiederholen, die Ihr Kind für die Zukunft doch bitte bedenken sollte, ist das wahrscheinlich nicht effektiv. Besser wäre, sie nicht dazu zu ermahnen, irgendetwas vorauszuplanen, sondern ihnen eher den Konflikt zu verdeutlichen, den sie später haben werden. “ Als Beispiel führt sie an: “ Vielleicht sagen Sie so etwas wie ‚Ich weiß, dass du deine Jacke jetzt nicht anziehen willst, aber wenn du später im Hof stehst und frierst, erinnere dich daran, sofort deine Jacke zu holen.“
Es ist wie so oft in der Kommunikation: Entscheidend ist nicht, was man sagt, sondern was der andere versteht.
gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: http://www.colorado.edu/news
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