„Präsentismus“ – ein unterschätzter Kostenfaktor

Unternehmen entstehen zusätzlich enorme Kosten, wenn kranke Arbeitnehmer trotzdem zur Arbeit gehen – und nicht etwa nur dann, wenn sie zuhause bleiben.

Auskurieren oder trotzdem zur Arbeit gehen? Kaum jemand, der sich diese Frage nicht schon einmal gestellt hat. Relevant wird das Thema vor allem bei chronischen Leiden wie Rückenschmerzen, Allergien und Depressionen. Dass Anwesenheit trotz Krankheit vor allem wirtschaftlichen Schaden verursacht, belegt eine Studie der Cornell University: Jährlich werden 3x so viele Kosten durch „Präsentismus“ verursacht, als durch Abwesenheit vom Arbeitsplatz anfallen. Folgen des Präsentismus und damit Ursachen der Kosten sind mangelnde Konzentration, arbeitsplatzbezogene Ängste, fehlende körperliche Leistungsfähigkeit und vor allem langfristige Verschlimmerung körperlicher und psychischer Leiden. Die Autoren der Studie schätzen, dass je nach Krankheit bis zu 60% der krankheitsbedingten Kosten durch Präsentismus und nicht etwa durch Absentismus oder kurative Maßnahmen verursacht werden.

Menschen, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen und nicht zum Arzt, rekrutieren sich aus 3 Gruppen.

„Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, geht dort alles den Bach runter“ klagen viele, die bei uns Coaching und psychologische Beratung suchen. Vor allem hochmotivierte Personen, die Kompetenzen nicht gerne aus der Hand geben, sind betroffen. Hier können Einstellungsänderungen für mehr Lebensqualität sorgen.

„Angst vor Kündigung“ oder generell „Angst vor finanzieller und gesellschaftlicher Degradierung“ ist der zweite häufig genannte Grund für Präsentismus. Diese Personen befinden sich in einem Teufelskreis von gesundheitlichen Problemen und der Angst vor dem Verlust von sozioökonomischem Status. Im Coaching gilt es vor allem, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und individuell zugeschnitten alternative Wege aufzuzeigen.

Die dritte Gruppe sind meist selbständige Unternehmer und Freiberufler, die hohe berufliche Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeiter tragen. Im Coaching werden dann gemeinsam passende Strategien und Roadmaps für den Krankheitsfall ausgearbeitet.

Stress, Burnout und damit verbunden depressive Verstimmungen gehören neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arthritis zu den Krankheiten, die die meisten Kosten verusachen. Erhöhte Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzunsicherheit und gestiegene psychosoziale Anforderungen im Beruf tragen dazu bei. Hier müssen vor allem präventive Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ergriffen werden. Psychosoziale Kompetenz aber wird in der beruflichen Ausbildung nur selten vermittelt. Unternehmen und Arbeitnehmer haben großen Nachholbedarf bei der Förderung der Mitarbeiter und der Verbeserung der Kommunikation – auch im Krankheitsfall.

Quelle:
Goetzel, R. et al. (2004). Health, Absence, Disability, and Presenteeism Cost Estimates of certain Physical and Mental Health Conditions Affecting U.S. employers. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 46, 398-412

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