Kausalattribution – Glück und Unglück durch Ursachenzuschreibung

Warum schaffen es manche Menschen, nachhaltig von Erfolgen zu zehren, während bei anderen das Glück immer nur von kurzer Dauer ist? Wieso geht für manche bereits bei kleinen persönlichen Misserfolgen die Welt unter, während manche die berühmten „twists and turns“ im Leben lässig mit einem Schulterzucken abtun? Warum machen es sich manche Leute so unglaublich schwer, obwohl doch ihr Leben größtenteils von Glück bestimmt ist?

Die Herren Rotter, Seligman und Weiner helfen uns bei diesen Fragen weiter. Sie gehörten verschiedenen Forschergruppen an, die sich ab den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Phänomen der „Kausalattribution“ (deutsch: Ursachenzuschreibung) beschäftigten. Damit gingen sie zwei wichtigen Frage nach: 1. Wen oder was kann man für Erfolg und Misserfolg verantwortlich machen? und 2. Macht es einen Unterschied, wen oder was wir verantwortlich machen?

Zur Beantwortung der Fragen benutzen wir Otto Normalverkäufer. Herr Normalverkäufer hat gerade erfahren, dass er im letzten Quartal die höchste Abschlussquote aller 17 Verkäufer erreicht hat und eine satte Prämie kassiert. Er kann nun Stolz empfinden und sich selbst sagen, dass er ja immer wusste, dass er der beste Verkäufer sei. Oder er kann Schuld empfinden und die hohe Abschlussquote auf strukturelle Bedingungen in seiner Region zurückführen – zum Beispiel die Öffnung eines Neubaugebietes und damit den Zuzug vieler potentieller Neukunden, die seine Arbeit „erleichtert“ haben.

Herr Normalverbraucher kann also entweder „internal“ attribuieren („ich bin eben der beste“) oder „external“ („die Bedingungen waren eben gut“). Rotter, Seligman und Weiner würden ihm zur internalen Attribution raten: Bei Erfolgen führt eine internale Ursachenzuschreibung zu langfristiger Zufriedenheit. Bei Misserfolgen ist es genau anders herum: internale Zuschreibung führt dazu, dass wir längerfristig schlecht von uns denken – definitiv ein „Glückskiller“. Externale Zuschreibung dagegen lässt uns die schlimmen Dinge leichter nehmen – „es war halt Pech, beim nächsten Mal wird es wieder besser“.

Es macht also sehr wohl einen Unterschied, wen oder was wir für unsere (Miss-)Erfolge verantwortlich machen. Interessant dabei: Dieser Urteilsbildungsprozess läuft zunächst unbewusst ab. Herr Normalverkäufer bekommt also auf Grund der unbewussten Urteilsbildung erst einmal ein gutes oder schlechtes Gefühl. Dieses Gefühl motiviert ihn, anschließend Erklärungen für seine Stimmung zu suchen. Kennt man nun dieses Prinzip, kann man die eigene Stimmung mit einiger Übung zum Teil nachträglich und nachhaltig beeinflussen.

Das heißt nicht, dass man zum „Berufsoptimisten“ werden soll oder zur Nervensäge, die noch am Weltuntergang irgendetwas Schönes findet. Aber es hilft oft, dem Schlechten den Schrecken zu nehmen und Selbstwertgefühl aufzubauen. „Jeder ist seines Glückes Schmied“ – für wenige Dinge gilt dieses Sprichwort so sehr wie für die Kausalattribution von persönlichen Erfolgen und Misserfolgen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

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