Gewalt in der Partnertschaft – Affekt oder kalkuliertes Risiko?

„Ich… ich weiß auch nicht … schätze, mir ist einfach … ja, mir ist einfach die Sicherung durchgebrannt. Da hab ich ausgeholt und… eigentlich wollte ich nicht so fest zuschlagen… nur drohen, ich wollte sie ja nicht verletzen, aber meine Gefühle sind mit mir durchgegangen.“

Statistiken sowie dutzende persönliche Berichte zeigen immer wieder, dass Gewalt in der Partnerschaft bittere Realität ist. Nimmt man verbale Aggression und Drohungen mit in die Gleichung auf, sind Männer sogar beinahe so häufig davon betroffen wie Frauen – nur bei der ‚Schwere‘ der Taten führen die Männer natürlich.

Das obige Szenario stellt dabei den Prototyp ehelicher Gewalt dar. Sofort denken wir bei ‚Gewalt in der Partnerschaft‘ an den aus Affekt prügelnden Ehemann.

Dieses Bild stellen israelische Forscher nun ernsthaft in Frage und behaupten: Der größte Teil häuslicher Gewalt ist nicht emotional bedingt sondern kühl kalkuliert.

Die Wissenschaftler um Prof. Eisikovits und Dr. Perkis von der Universität in Haifa erforschten zunächst die Phasen partnerschaftlicher Gewalt und stellten fest: Die Eskalation solcher Gewalt folgt immer denselben Schritten. Zunächst verbale Aggressivität (fast immer von beiden Seiten), dann Drohungen, leichte physische Übergriffe und schließlich schlimmsten Falls ernsthafte Verletzung des Partners.

In ihren Studien stellten Sie zudem fest, dass Gewalt in der Partnerschaft eine Konfliktlösungsstrategie darstellt, die zu einem gewissen Maß von beiden Seiten geplant ist. Diese zunächst unlogisch erscheinende Aussage erklärt Dr. Perkis näher: „Natürlich setzt sich keiner der Partner hin und plant, wann er auf den anderen einschlägt oder ihm droht. Aber es existiert eine Art stilles Einverständnis zwischen den beiden, wo die Grenzen der Gewalt und der Respektlosigkeit liegen.“

Die Partner kalkulieren dann in einer Streitsituation den Preis, den Sie für dieses oder jenes Verhalten zahlen müssen. Wenn Er zum Beispiel annimmt, dass Sie eine leichte Ohrfeige noch hinnimmt, bei einem Faustschlag in den Bauch aber die Polizei informiert, wird Er höchstens bis zur Ohrfeige gehen. Gibt Sie Ihm zu verstehen, dass eine Ohrfeige zur Scheidung führt, wird er sich in der Regel vorher zurücknehmen.

Dr. Perkis betont, dass partnerschaftliche Gewalt so illegal wie unmoralisch ist und dass natürlich jeweils der Partner der Schuldige ist, der auch tatsächlich handgreiflich wird. Für Paare, die trotz solcher Auseinandersetzungen zusammen bleiben wollen und einen Neuanfang starten, ist es aber zunächst einmal ganz wichtig, sich zu verdeutlichen: Beide Partner haben innerlich eine Grenze festgelegt und diese ist überschritten worden.

Deshalb wird in der Therapie besonderer Wert darauf gelegt, die Motive beider Partner und die Dynamik zwischen ihnen aufzuklären. Die bisherigen – offensichtlich unzureichenden – Konfliktlösungsstrategien werden analysiert und verdeutlicht. Neue, für beide akzeptable Konfliktstrategien werden gezeigt und erprobt, damit nachhaltiges Partnerglück ohne Gewalt wieder erlebbar wird.

Obwohl Gewalt in der Partnerschaft also im Regelfall kalkuliert ist, kann es trotzdem in einigen Situationen zu unkontrollierten Ausbrüchen von Aggression kommen. Allerdings sind diese Fälle deutlich seltener.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: University of Haifa (2009). Violence between couples is usually calculated, and does not result from loss of control.

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