Depressiv aus Nächstenliebe?

Eine wohltätige Spende hilft in der Regel nicht nur dem Empfänger, sondern auch dem Geber.

Während der Empfänger von der materiellen Unterstützung profitiert, genießt der Spender das Gefühl, Hilfe geleistet zu haben – Selbstwert und Selbstwirksamkeit werden gesteigert. Das schafft kurzfristig positive Gefühle und bildet langfristig eine gute Grundlage für Sinnempfinden und ein reiches Sozialleben.

Psychologische und soziologische Forschung bescheinigt Menschen, die sich derart altruistisch verhaltenin der Regel auch ein glücklicheres Leben. So weit, so gut. Ein diskussionswürdiges Ergebnis lieferte jetzt allerdings eine Studie mit Daten des National Survey of Midlife Development in the U.S.: Regelmäßige Spender haben ein 2,6-faches Risiko, an Depressionen zu erkranken.

Ein möglicher Grund für die die Aufsehen erregenden Daten ist, dass bereits vor der Depression bestehende Schuldgefühle die ‚Anfälligkeit‘ für Spendenbereitschaft erhöhen. Damit wäre die Spendenbereitschaft ein ‚Symptom‘ einer depressiven Grunderkrankung, das auftreten kann, aber nicht muss. Denkbar wäre auch , dass der verringerte Selbstwert, der oft mit depressiven Erkrankungen einhergeht, das Ablehnen von Spendenanfragen verhindert. Oder dass das Spenden eine Art ‚Eigentherapie‘ darstellt, die depressive Schuldgefühle verringern kann.

Eine wichtiges Manko der Studie ist allerdings, dass die Forscher nur Geldspender untersuchten. Direkte, aktive Hilfe sowie emotionale Zuwendung zu Bedürftigen wurden nicht in die Analyse miteinbezogen.

Hier zeigt die psychologische Forschung allerdings konsistent, dass tätige Hilfe und emotionale Unterstützung vor Depressionen und Ängsten schützen. Wie unser Blog-Beitrag vom 3.3.09 zeigt, haben auch Geldspenden normaler Weise langfristige positive Folgen für den Spender. Die Forschung ist in diesem Gebiet wohl etwas inkonsistent.

Vielleicht sollte man vor der nächsten Geldspende einfach kurz seine Motive hinterfragen. Hier kann eine Visualisierung der Ergebnisse nützlich sein: Stellen Sie sich vor, was mit dem Geld gemacht wird, wo es hinkommt, wer es erhält. Wenn Sie dabei Freude und Mitgefühl empfinden: Füllen Sie den Spendentopf. Falls Sie Erleichterung oder Schuld verspüren: Kaufen Sie sich selbst etwas Schönes und nehmen Sie sich die Zeit, aktiv tätig und unmittelbar zu helfen. Denn das schützt vor Depressionen, so viel ist wenigstens sicher!


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Fujiwara, T. et al (2009). Is altruistic behavior associated with major depression onset? PLoS ONE, 4(2), e4557

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