ADHS – Krankheit oder Erfindung?
Die Zahl der ADHS-Diagnosen steigt ständig und nimmt alarmierende Ausmaße an. Besonders häufig wird ADHS bei Kindern diagnostiziert, denen dann durch die Gabe von Ritalin geholfen werden soll, sich zu konzentrieren. Mehrere Wissenschaftler kritisieren diese Praxis jedoch scharf. Einige gehen so weit zu behaupten, die vermeintliche Krankheit sei reine Erfindung.
Laut einer Studie von 2007 wird weltweit bei etwa 5,3% aller Kinder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung) diagnostiziert, Jungen sind ca. 4-mal häufiger betroffen als Mädchen. Die Krankheit beginnt in der Kindheit, setzt sich im Jugendalter fort und ist bei ca. 60% der Betroffenen auch noch im Erwachsenenalter bis in die Seniorenzeit nachweisbar. Sie macht sich durch Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität bemerkbar und führt zu erkennbar bedeutsamen Beeinträchtigungen der sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit. Um Betroffenen zu helfen, wird ihnen oft der Wirkstoffs Methylphenidat (Ritalin) verschrieben, der die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Dopamin hemmt und sich persönlichkeitsverändernd auswirkt. Dies hat gerade in den frühen Lebensjahren gravierende Auswirkungen: Medikamente, die diesen Wirkstoff erhalten, machen abhängig, haben starke körperliche und psychische Nebenwirkungen und erfordern eine immer höhere Dosis, da die körpereigene Produktion von Neurotransmittern lahmgelegt wird.
Seit einigen Jahren wird die schnelle Verschreibung von Ritalin daher stark kritisiert. Nun aber gehen mehrere Wissenschaftler – unter ihnen auch der Entdecker des ADHS – sogar darüber hinaus, indem sie die Erkrankung als schiere Erfindung bezeichnen.
Fehldiagnose ADHS?
„ADHD does not exist“ – so lautet der kontroverse Titel des Buches des US-amerikanischen Neurologen Dr. Richard Saul. Er begründet seine These vor allem damit, dass die Diagnosekriterien für ADHS lediglich eine Sammlung von Symptomen seien, die völlig verschiedene Ursachen haben können. Fast immer seien es psychosoziale Ursachen, die für die Symptome verantwortlichen sind.
Sogar der Entdecker des ADHS, Leon Eisenberg, war dieser Meinung und stellte dies im letzten Interview vor seinem Tod im Jahre 2009 klar. Zum Einen seien die Symptome völlig ungenau, subjektiv und unspezifisch. Denn wer habe nicht hin und wieder „Schwierigkeiten mit der Organisation“, eine „Tendenz, Dinge zu verlieren“, wer ist nicht manchmal „vergesslich oder abgelenkt“ oder „achtet nicht genau auf Details“? Viel zu schnell werde die Diagnose ADHS vergeben und Ritalin verschrieben – nach der zugrundeliegenden Ursache werde nicht weiter geforscht.
Dies ergab auch eine Studie der medizinischen Forscher Rae Thomas, Geoffrey Mitchell und Laura Batstra, die zwar ADHS als Krankheit nicht leugnen, aber dennoch sehr viel genauere Diagnosekriterien verlangen, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Die Fragen Betroffener
Menschen, denen eine ADHS-Diagnose gestellt wurde, reagieren verständlicherweise oft empört auf die Behauptung, ihre Erkrankung existiere gar nicht. Schließlich hilft Ritalin vielen von ihnen, ihr Leben zu organisieren, sich zu konzentrieren und überhaupt erst leistungsfähig zu sein.
Doch ADHS-Kritiker leugnen nicht die Symptome an sich, sondern weisen darauf hin, dass sie andere als neurologische Ursachen haben. Psychosoziale Belastungsfaktoren, die dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Krankheit bis ins Erwachsenenalter persistiert, könnten die wahren Ursachen für das Auftreten der Symptome sein. Diese können aber natürlich nicht mit Medikamenten „geheilt“ werden.
Die Kritik daran, dass ADHS häufig schnell und anhand subjektiver Kriterien diagnostiziert wird, muss in jedem Fall ernst genommen werden. Gerade Eltern betroffener Kinder hilft es, sich genauer mit dem Thema auseinander zu setzen. Kindern Medikamente zu geben, nur weil sie für den Geschmack des ein oder anderen Lehrers zu unruhig sind, ist sicher keine gute Lösung. Denn manchmal können die Symptome auch für sehr positive Seiten stehen: Begeisterungsfähigkeit, Energie, Offenheit für Neues, Kreativität, große Begabung zum Multitasking und Improvisationstalent.
Quellen:
Thomas, R., Mitchell, G. K., & Batstra, L. (2013). Attention-deficit/hyperactivity disorder: are we helping or harming? BMJ, 347, f6172.
Polanczyk, G., de Lima, M. S., Horta, B. L., Biederman, J., & Rohde, L. A. (2007). The worldwide prevalence of ADHD: a systematic review and metaregression analysis. The American journal of psychiatry, 164(6), 942-948.
Saul, R. (2014). ADHD does not exist. Harper Collins.
Interview Leon Eisenberg:
http://www.hoaxorfact.com/Health/inventor-of-adhd-called-it-a-fictitious-disease-facts-analysis.html
Hinterlasse eine Antwort